Bayern nach der Wahl - Statt ungewisser Zeitenwende stabile Regierung in Aussicht für ein neues bayerisches "Lebensgefühl"

Zehn Tage sind nun seit der der denkwürdig(st)en Landtagswahl in Bayern vergangen. Mit großer Spannung wurde dem Wahlergebnis am 14. Oktober entgegengesehnt. Von einer epolchalen Zeitenwende war die Rede, von einer historischen Niederlage für die CSU (und auch für die SPD). Ein Denkzettel ist es in der Tat für die CSU geworden, eine epochale Zeitenwende haben die Wählerinnen und Wähler jedoch nicht angestoßen und wollten sie offensichtlich auch nicht. Das so genannte konservativ-bürgerliche Lager wird mit der CSU und den Freien Wählern eine stabile Regierung bilden können, die programmatisch nicht so weit auseinander liegt, dass jederzeit mit einem Regierungsbruch zu rechnen ist. Gewiss wäre auch eine Regierung mit den euphorisierten Grünen möglich gewesen. Die Annäherungsversuche waren ja schon weit gediehen - persönlich und auch inhaltlich. Die Sympathiewerte für eine solche Konstallation waren bzw. sind gar nicht niedrig und nicht zuletzt hat sich ja in Baden-Württemberg und Hessen bereits gezeigt, dass eine schwarz-grüne (oder grün-schwarze) Regierung funktionieren kann.
Doch Bayern ist nicht Hessen oder Baden-Württemberg und muss nicht automatisch dem nacheifern. Die bayerischen Verhältnisse sind anders. Grün mag zwar gerade im Trend liegen. Aber letztlich machen die Grünen-Wähler nicht einmal ein Fünftel in Bayern aus, so dass es schwer ist, schon von "Volkspartei" zu sprechen. Grün mag den Life-Style, das "Lebensgefühl", längst nicht mehr nur so genannter alternativen Gruppen treffen. Grün ist offen, gibt sich pragmatisch und bürgernah (eher in den Städten als auf dem Land), kommt jung daher und wirkt "sexy". Man hat erkannt, dass Birkenstock-Sandalen und Strickjacken von gestern sind. Die Grünen haben gewiss wichtige Anstöße in ihrer Paradedisziplin der Umweltpolitik gemacht und besetzen nun mehr und mehr andere gesellschaftlichen Themen der Mitte, Mehrheitsthemen, was der grüne Ministerpräsdient Kretschmann vielleicht als "modernen Konservatismus" beschreibt. Bei der Wählergunst profitiert man gewiss auch von der Schwäche der SPD (Die Grünen als neue SPD?). Und man profitiert - so selbstkritisch muss man sein - vom zeitweise falschen Kurs in der CSU, wodurch ganz gewiss einige Wähler zu den Grünen abgewandert sind - wohl mehr als zur AfD. Bei allem Gerangel in den Berliner Regierungsfraktionen, bei aller Euphorie bei den Grünen und bei aller Sympathie in den Medien und in mittlerweile größeren Teilen der Bevölkerung ist das aber lange noch kein automatischer gemeinsamer Koalitionssauftrag für Schwarz-Grün. Daher ist ebenso berechtigt und lässt sich gut begründen, wenn die CSU, die immerhin doppelt so viele Stimmen als die Grünen erhalten hat, nun eher eine ihr näher stehende Partei als Bündnispartner auswählt, die schließlich auch Zugewinne zu vermelden hat - wohl sicher auch aus dem CSU-Lager.
Zum Glück ist man sich zwischen Schwarz und Grün heute nicht mehr spinnefeind und man kann miteinander reden und im Zweifel auch regieren. Doch, was auch klar wird: Es gibt schon noch kleinere und größere Unterschiede in diesem "modernen Konservatismus", die man deutlich machen muss und die man auch zur Abgrenzung heranziehen sollte, wenn es um die Zukunft unseres Freistaats geht, sei es etwa in der Sicherheits, Familien- oder in der Bildungspolitik. Bei dieser Differenzierung muss man nicht gleich in die linke wie rechte populistische Richtung driften, d.h. etwa von "konservativer Revolution" oder von "reaktionärem Polizeistaat" sprechen.
Warum also mit einer ungewissen Zeitenwende unbedingt experimentieren, wenn eine stabile Regierung in Aussicht ist. Das scheint gerade der Wunsch der Mehrheit der Menschen in Bayern zu sein und dem ist die Politik verpflichtet, nicht irgendwelchen Wunschgedanken.
CSU und Freie Wähler, das mag sich für viele in der CSU bzw. im "bürgerlich-konservativen" Lager der Mitte gar schon wieder als absolute Mehrheit anfühlen, politisch wohl schon, parteibezogen eher weniger. Diese "Bayern-Koalition" kann ganz gewiss nicht das schwache CSU-Ergebnis wegleugnen und ist ein deutlicher Denkzettel, aber keine Abwahl. Ein Um- und Neudenken ist gefragt, neuer Schwung und gleichzeitig eine Rückbesinnung auf die Stärke der CSU an der Basis und weg von manchem Parteiestablishement. Da kann man vom zukünftigen Partner etwas lernen. Außerdem sollte man sich neben den bürgerlich-konservativen Werten wieder mehr den christlichen Grundsätzen verbunden fühlen als auf lautstarke Parolen zu setzen und sich Gedanken machen, wie man es wieder zur alten Integrationskraft in einer veränderten bayerischen Gesellschaft schaffen und eben ein bayerisches "Lebensgefühl" neu erfinden kann. Das gilt es nach dem Abschluss der bisher unkomplizierten Koalitionsgespräche gründlich intern zu analysieren, um entsprechend die Weichen personell wie inhaltlich für das nächste Jahrzehnt zu stellen.
Lukas Götz